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E-Mail im Unternehmen – Ein weiterer Ansatzpunkt für Enterprise 2.0

Vor etwas mehr als einem Jahr hatte ich einen Blogpost über das Intranet als idealen Ansatzpunkt auf dem Weg zum „Enterprise 2.0“ geschrieben. Ein wesentliches Argument dabei: Die meisten Unternehmen betreiben bereits ein internes Netz von Webseiten, allerdings bleibt die tatsächliche Nutzung nicht selten weit hinter den Erwartungen zurück. Hier gibt es also konkrete Ansatzpunkte für Verbesserungen, um die ohnehin aufgewendeten Mittel besser zu nutzen.

Ähnlich verhält es sich mit der E-Mailkommunikation, die heute in fast allen Unternehmen verbreitet ist. Zweifelsohne haben E-Mails den Nachrichtenaustausch in Organisationen und darüber hinaus erheblich vereinfacht, beschleunigt und natürlich auch vergrößert. So können zum einen auf einfache und schnelle Weise mehr Kollegen informiert bzw. erreicht werden. Zum anderen allerdings hat sich die generierte E-Mailflut zunehmend auch als Belastung und Zeitfresser entwickelt. Nach einer kürzlich veröffentlichten Studie von McKinsey verbringen „interaction worker“ mittlerweile im Schnitt ca. 28% ihrer Arbeitszeit mit dem Lesen und Antworten von E-Mails. (Einschließlich der Suche nach Informationen und der sonstigen internen Kommunikation summiert sich der Aufwand sogar auf 60%.) Erschwerend kommt hinzu, dass dieser Aufwand dezentral bei jedem einzelnen anfällt und damit den meisten Unternehmen bisher kaum auffällt, geschweige denn zentral irgendwo erfasst wird. Nicht selten aber drückt dies erheblich auf die Produktivität und Arbeitsmotivation.

Zur Abhilfe gibt es zwar zahlreiche Ratschläge zur Reduktion des persönlichen Mailaufkommens, allen voran Sascha Lobos „17 Tipps gegen die Mail-Flut“. Im gleichen Beitrag stellt der Autor jedoch auch sehr treffend fest: „E-Mail ist eine Brückentechnologie aus einer Zeit, als die digitale Welt noch die dingliche Welt kopierte.“ Und nicht erst seit dieser Feststellung wird von einigen Seiten bereits das „Ende der E-Mail“ proklamiert, wie z.B. im Juni 2011 in der Computerwoche, im November 2011 von ATOS, im Dezember von der CHIP oder kürzlich wieder auf Spiegel Online.

In der Realität sind wir freilich davon noch ein ganzes Stück entfernt. Wann bzw. ob jemals überhaupt E-Mails komplett aus den Unternehmen verschwinden werden, daran scheiden sich bis heute die Geister. Zweifelsohne stehen der Abschaffung erhebliche Herausforderungen bzw. Hürden entgegen, die ich bereits in einem früheren Blogpost beleuchtet hatte und denen sich kürzlich auch der „Besser2.0 Blog“ in einem Beitrag gewidmet hat.

Neben der Darstellung der Vor- und Nachteile der E-Mailkommunikation ist jedoch entscheidend, praktikable Alternativen aufzuzeigen. Hier bleiben die meisten Artikel leider bisher sehr vage und geben nur ein paar allgemeine Hinweise auf die Nutzung von Instant Messaging, sozialen Plattformen („Firmen Facebook“) oder „Collaboration Suites“ (was auch immer dann genau darunter verstanden wird).

Deutlich konkreter wird da Rachel Happe in ihrem sehr pragmatischen und lesenswerten Blogpost „Building a Social Business: Start with Email Changes“. Motiviert durch die Bedeutung, die Communities (bzw. die Zusammenarbeit allgemein) heute in einer Organisationen für die Wertschöpfung spielen, gibt sie direkt umsetzbare Handlungsempfehlungen, wie zumindest ein Teil der E-Mailkommunikation auf (soziale) Plattformen verlagert werden kann, um damit die Informationsverteilung und die Vernetzung der Mitarbeiter untereinander zu verbessern:

  1. Erhebung des Status-Quo und Schaffung von Problembewusstsein durch eine Analyse bzw. Kategorisierung des tatsächlichen E-Mailaufkommens eines Mitarbeiters, am besten über eine Umfrage sowie stichprobenhaft auch direkt. Mögliche Kategorien sind: Unternehmenskommunikation (an alle), FYI Mails, projektbezogene Informationen und Statusupdates, vertrauliche Diskussionen in einer kleinen Gruppe, Abstimmung/ Revision von Dokumenten, Terminabsprachen, (nicht projektrelevante) Mailverteiler, Benachrichtigung über Neuerungen sowie „sonstige“.
  2. Verlagerung aller nicht-vertraulichen E-Mailverteiler auf Blogs, am besten ein Blogsystem, das auch per E-Mail erreichbar ist. Mitarbeiter können nach eigenem Interesse Updates abonnieren und niemand muss aufwändig Verteilerlisten pflegen oder neuen Kollegen/ Interessierten vergangene Mails weiterleiten. Kommentare und Diskussionen sind automatisch für alle an zentraler Stelle sichtbar und leicht nachvollziehbar strukturiert.
  3. Projektteams arbeiten in geschlossenen Gruppen und werden angehalten dort regelmäßig ihren Status mitzuteilen bzw. Fragen zu stellen. Teamstatusmeetings können dadurch erheblich reduziert werden.
  4. Mitarbeiter werden angehalten, keine cc oder bcc Mails zu versenden, sondern stattdessen Blogs und Diskussionsforen zu nutzen.
  5. Ebenso werden die Mitarbeiter angehalten, intern keine Dateien an E-Mails anzuhängen, sondern stattdessen diese auf entsprechenden Plattformen abzulegen.
  6. Jeder, der eine (nicht vertrauliche) Frage per E-Mail erhält, kopiert die Frage und schreibt seine Antwort in einen Blog. Damit werden zum einen E-Mailketten direkt im Keim erstickt. Zum anderen müssen die meisten Fragen so nur einmal beantwortet werden und sind auch für andere direkt auffindbar. Vor allem Fachexperten und Entscheidungsträger werden entlastet, die täglich viele Anfragen erhalten.
  7. Richtlinien und Trainings zeigen den Mitarbeitern, wie E-Mails im Unternehmen verwendet werden sollten, z.B. für vertrauliche Informationen oder Terminabsprachen sowie für Kommunikation mit externen Partnern (hierfür gibt es evtl. Möglichkeiten, diese direkt in einen Gruppenraum weiterzuleiten.)

Natürlich erfordert dies einiges an Umstellungen von Gewohnheiten bei allen Beteiligten. Hier ist neben der Bereitstellung geeigneter, einfach zu bedieneder technischer Lösungen vor allem Führung und Vorbild gefragt. Bereits nach kurzer Zeit sollten dann Entlastungen für jeden Einzelnen spürbar werden und die Überzeugung/ Befürwortung zur neuen Arbeitsweise wachsen. Damit steigt dann auch die generelle Bereitschaft, soziale Plattformen zu nutzen bzw. sich dort für die Organisation einzubringen. Rachel Happe schreibt dazu: „We need to fix what is currently broken for individuals before we can expect them to contribute back to our organizations in meaningful ways. Email inboxes are ground zero.“

Kleine Ergänzung (27.08.2012): Zur illustrativen Unterstreichung möchte ich auch hier (wie auch in dem Blogpost von Rachel Happe) das sehr sehenswerte Video „Email Trees“ einbinden.

  1. 27. August 2012 um 09:03

    Reblogged this on cloudprise!.

  2. 27. August 2012 um 09:08

    Sehr schöne Üebersicht und hervorragender Ansatzpunkt. Meine Erfahrung zeigt, dass sich die Email mittlerweile so „festgefressen“ hat, dass Mitarbeiter, Unternehmensleitung und Verwaltung nur schwer von Alternativen überzeugen lassen. Aber wie vor 10 Jahren wird es auch hier wohl die Zeit und der stätge Tropfen richten. Hoffentlich etwas schneller als bei der Email.

    Viele Grüßen aus Starnberg

    Sebastian Thielke

  3. 27. August 2012 um 09:34

    Guter Artikel mit praktischen Tipps! Ich möchte noch einen Punkt ergänzen, den ich in der vergangenen Woche in einem ähnlichen Blog-Post formuliert habe (siehe http://www.trends2move.de/wordpress/index.php?p=809) – wir müssen anders mit Informationen umgehen. Wir sollten uns nicht ständig über neue Informationen per Email benachrichtigen lassen (Google-Alerts, Statusberichte, …) sondern uns dann die Informationen aktiv holen, wenn wir sie benötigen und wir uns die Zeit nehmen, sie aktiv zu verarbeiten. Das Web vergisst nichts (gleiches gilt für die Intranets in den Unternehmen) – machen wir uns das zunutze!

  4. Dr. Carsten Rose
    27. August 2012 um 10:41

    Besten Dank für diese schöne Zusammenfassung zum „working outside the inbox“!
    Mein Favorit ist ganz klar die Empfehlung Nummer 6: „Jeder, der eine (nicht vertrauliche) Frage per E-Mail erhält, kopiert die Frage und schreibt seine Antwort in einen Blog.“

  5. 27. August 2012 um 13:34

    Schöne Zusammenfassung. Allerdings ist es aus meiner Sicht kein gangbarer Weg, ausgerechnet das dickste Brett zu bohren, um eine völlig neue Praxis (E20) einzuführen. Email ist die Technologie, die alle im Schlaf beherrschen – und das Pflegen eines E20 Activity Streams ist für den einzelnen komplexer als das einer Email-Inbox. Die Motivation, hier zu folgen, wird gering sein. Die geringere Nutzung von Email wird am Ende eher das Ergebnis eines E20-getriebenen Austrocknungsprozesses sein.

    • 27. August 2012 um 20:42

      Danke für den Hinweis. Das sehe ich ähnlich. Auch bei der E-Mailreduktion liegt der Schlüssel zum Erfolg eher weniger im Zwang oder irgendwelchen radikalen Schritten, sondern vielmehr in der Schaffung von ansprechenden Angeboten, angesehenen Vorbildern (inbesondere durch Führungskräfte) sowie ggf. in der persönlichen Anleitung bzw. Erarbeitung von Best Practives. Zudem erachte ich die Möglichkeit zur E-Mailinteraktion (Lesen & Schreiben) einer sozialen Plattform als wesentliches Feature, so dass für den, der will, sich zunächst erst einmal gar nichts ändert. (vgl. dazu auch „Transforming your intranet to a platform for communication and participation“)

  6. 27. August 2012 um 15:25

    Hallo Sebastian. Schöner Beitrag. Das passt mir gerade in die Vorbereitung eines Vortrags zum Thema Future Workplace rein. LG, Alex

  7. 19. November 2012 um 12:28

    Sicherlich E-Mail wird nicht so schnell ersetzt. Dennoch gibt es gerade innerhalb einer Organisation große Potenziale. Mir fällt auf, dass zwei Dinge bei der Diskussion über E-Mails vermischt werden: interne und externe Disussion. Ich denke, eine Differenzierung könnte für die Diskussion sinnvoll sein.

    Mein zentrales Argument dabei ist, dass beide Lager eigentlich aneinander vorbei argumentieren, da nicht zwischen der internen und externen Kommunikation einer Organisation unterschieden wird. Pro E-Mail Vertreter sprechen primär über externe Kommunikation und pro Social-Media Vertreter sprechen eher über interne Kommunikation.

    Weitere Gedanken dazu hier: http://www.ezweinull.de/e-mail-ist-eine-brueckentechnologie-oder-doch-nicht/

  1. 31. März 2013 um 18:34

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